17. Jahrhundert - heute

Schul- und Universitätsstadt

Seit über 400 Jahren beliebt als grüne Oase und genutzt für Forschung und Lehre, liegt in Gießens Innenstadt ein Schatz: der Botanische Garten. Gegründet wurde er einst als Heilpflanzengarten zusammen mit der Universität. Während diese vom ersten Gebäude in der Nachbarschaft des Gartens aus zur vielfältigen Schul- und Hochschullandschaft im ganzen Gießener Stadtgebiet heranwuchs, vergrößerte sich auch ihr Hortus Medicus. Heute reicht er mit seinen rund 7500 Pflanzen- und 600 Tierarten bis zur Senckenbergstraße und Ostanlage.

Früher beschafften eifrige Reisende immer neue Gewächse aus dem In- und Ausland. So konnten Studenten der Medizin, Biologie und Chemie anschaulich Kenntnisse gewinnen. Inzwischen ermöglichen weltweite Flüge und das Internet den Wissenschaften international vernetztes Arbeiten. Es steht zur Diskussion, ob exotische botanische Importe weiterhin sinnvoll sind. Unbestritten aber sind das Spaziervergnügen und der sommerliche Kulturgenuss in Gießens Ruhepol.

Schul- und Universitätsstadt

Der Hortus Medicus - seit mehr als 400 Jahren am selben Platz

„Begonnen hat im Monat Februar dieses Jahres 1609 durch gnädige Gewährung des höchst Illustren Fürsten die Einrichtung eines Hortus Medicus in Gießen hinter dem Bogen. Für dessen vollständige Aufsicht und Neukultur wurde der in der Botanik äußerst kenntnisreiche Herr Ludwig Jungermann aus Leipzig mit einer Besoldung für dieses oder nächstes Jahr von jährlich 50 Reichstalern bestellt“.
(Hans-Joachim Weimann: Gärten der Ludoviciana. Lust und Frust. Geschichte und Geschichten. Biebertal 2001, S. 1).
So lautet eine der ersten Nachrichten über den Botanischen Garten. Prinzipiell hat der Garten seinen Platz bis heute nicht verlassen, obwohl er sich ausgedehnt hat und innerhalb des heutigen Geländes verlegt wurde.
Eine der wichtigsten Funktionen hatte der Gärtner inne, dem die Aufgaben der Pflege und Unterhaltung der Anlage zukam. Seit dem 17. Jahrhundert sollte er den Garten „mit Dung versorgen, (…) zu rechter Zeit die Ländereyen graben, dieselben mit ihren Gängen und allem anderen, so sich im Garten zur Zier, Wohlstand und Mühe eignet und gebühret, zurichten, auch die gänge jederzeit fein sauber und rein halten, und folgendes mit Besähen und Versetzung derer Bäume, Kräuter und Blumen zu rechter Zeit, wie das eines jeden art und die notdurft erheischet, dermasen versehen, daß daran keine Versäumnis, unfleiß oder fahrlässigkeit gespühret werde“. (Weimann, S. 11-12)
Da die Gärtner von der ihnen zustehenden Besoldung allein nicht auskömmlich leben konnten, erhielten sie verschiedene Vergünstigungen. Es wurde ihnen die Errichtung eines Kuh- und Schweinestalls an der Gärtnerwohnung genehmigt. Dies sicherte einerseits dem Gärtner sein Auskommen, verursachte andererseits aber Verdruss: So klagte Professor Dillenius sich im Jahre 1695 darüber, dass er [der Gärtner] seine Hühner und Schweine fast täglich im Garten herumlaufen lies und selbiger dadurch bis auf den Grund verwüstet würde. (Weimann, S. 20)
 

Migration der Pflanzen

Ausgehend von der ursprünglichen Zweckbestimmung als ´Hortus medicus` wurden im Botanischen Garten Arzneipflanzen angebaut, doch war es nicht dieser Zweck alleine, auch der Erholungsaspekt, die ansehnliche Gestaltung des Gartens waren mitbestimmend. So war man von Beginn an bestrebt, den Bestand an Pflanzen zu vermehren. Von nah und fern wurde die Pflanzenwelt des Gartens angereichert. Zum Ende des 18. Jahrhundert verweist ein Pflanzeninventar auf 506 Pflanzenarten.
Oftmals beschaffte man neue Pflanzen aus der Schweiz. Schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts waren neben den einheimischen Arten auch südländische Gewächse vertreten, wie etwa Aprikosen-, Lorbeer- und Zitronenbäumchen, außerdem Tulpen, Hyazinthen und Schwertlilien. Es fehlten ebenfalls nicht Pomeranzen, Granatäpfel und Feigenbäume. Von ganz weit her kamen schließlich „indianische Gewächse“. Pflanzen aus der gesamten Welt kamen nach Gießen, unter anderem der noch heute existierende Gingko-Baum.
Auch bei der Anlegung des forstbotanischen Gartens zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte man neben dem wissenschaftlichen Anliegen im Sinne der Forstwirtschaft ebenfalls auch den Aspekt der Naherholung im Sinn und gestaltete einen Teil der Anlage als Park. Bis zur allgemeinen Nutzung der Bevölkerung war es jedoch noch ein Stück Weg.
Weil sich immer wieder Studenten und Jugendliche unbefugt Zutritt zum Garten verschafften, und dort allerlei Unfug trieben, wurde ab 1819 der Zutritt durch eine Gartenordnung sogar streng geregelt:
„Der botanische und der forstbotanische Garten sind wissenschaftlichen Zwecken gewidmet - nicht dem öffentlichen Vergnügen, für welches die Natur in der Umgegend reichlich gesorgt hat, und der Stadt-Rath, durch die Anlagen um die Stadt, zu sorgen auf eine löbliche Weise sich bemüht.
1. Daher bleiben diese Gärten verschlossen, und sind auch dann als geschlossen zu betrachten, wenn zufällig eine Thüre offen stehen sollte.
2. Können Kinder nur in Gesellschaft und unter Aufsicht gebildeter erwachsener Personen darin geduldet werden. Kinder ohne Aufsicht oder in Begleitung von Kindergärtnerinnen, Mägden, Bedienten, werden mit ihrer Begleitung hinausgewiesen, und die Polizei-Diener sind deswegen beauftragt, öfter in diesen Gärten nachzusehen und die etwa nöthige Ausweisung vorzunehmen.
Gebildeten, erwachsenen Personen dagegen, welche den Werth und die Zwecke dieser Gärten zu würdigen wissen, wird der Eintritt gern gestattet, jedoch unter der Bedingung, daß
a. keine Hunde, weder kleine noch große mitgebracht;
b. nur die angelegten Wege und Sitze benutzt;
c. die etwa mitgebrachten Kinder angehalten werden, alle Pflanzen, Stauden, Sträuche und Bäume in allen ihren Teilen, so wie auch die Grasplätze zu schonen und alles unverletzt zu lassen und, daß die diese Gärten besuchenden Personen nicht länger als bis zum Untergang der Sonne (wo alle Thüren verschlossen werden) darin verweilen.
Das Schießen oder Wegfangen der Vögel oder das Ausheben ihrer Nester ist durch ein allgemeines Polizei-Gesetz verboten.
Der Universitäts-Gärtner ist verpflichtet, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in beiden Gärten zu wachen, deren Übertretung zu verhüten und die Übertreter, ohne Ansehen der Person, seiner Behörde sogleich anzuzeigen, damit deren ungesäumte Bestrafung erwirkt werde."
(Weimann, S. 77)

Heute beherbergt der Botanische Garten ca. 7500 Pflanzenarten aus der ganzen Welt, daneben aber auch und ca. 600 Tierarten. Und darunter ist ein Tier, das bisher nur in Gießen, im Botanischen Garten nachgewiesen ist: Der „Bauchtanzwurm“, ein Ringelwurm unbekannter Herkunft.

 


Ein Gießener unbekannter Herkunft (Hans Bahmer).

Schul- und Hochschulgründungen

Professoren auf der Flucht

Die Reformation und die sich ausbildenden konfessionellen Gegensätze zwischen Lutheranern und Calvinisten, die Aufteilung des Landes Hessen in mehrere Teilfürstentümer sowie der verschärfte Konfessionskonflikt zwischen Kassel und Darmstadt ließ den Gedanken an eine eigene Hochschulgründung aufkommen.
Landgraf Moritz gehörte schon lange zu den Parteigängern der Calvinisten. Er hatte bisher aber davon abgesehen, sich offen dazu zu bekennen. Beraten von calvinistischen Theologen veränderte er jedoch 1605 den Bekenntnisstand der evangelischen Kirche in seinem Herrschaftsgebiet. Diese Änderungen stießen in Marburg auf Ablehnung, es kam es sogar zu Handgreiflichkeiten gegen die neuen calvinistischen Geistlichen.

Die lutherischen Theologieprofessoren Winckelmann und Mentzer weigerten sich rundheraus, die Neuerungen anzuerkennen oder auch nur dazu stillzuschweigen. Daraufhin erhielten sie am 22. Juli 1605 ihren Abschied.
Während des Marburger Tumults hatten der Superintendent Heinrich Leuchter, der Archidiakon Konrad Dieterich und der Theologieprofessor Johannes Winckelmann heimlich die Stadt verlassen und waren über die Grenze in das nahe gelegene Gießen geflüchtet. Wenige Tage später folgte auch Balthasar Mentzer seinen Kollegen.
Diese geflohenen Professoren aus Marburg bildeten die Keimzelle der neuen Gießener Universität.

Vorzüge, die für Gießen als Standort der Universität sprachen, waren:
„Ist nit allein vor sich selbst fruchtreich, sondern auch der fruchtbaren Wetteraw und Hüttenberg gelegen; hat den Löhnstrom, trefliche viezucht, guten fleischkauf, liegt an der landkundigen Straßen, nähert sich nach Franckfurt, so studiosi vor einen großen vortheil achten, ist so wol reinischer alß auch landwein in vil geringerem wert zu erlangen, hat nahe bei sich liegen dass calvinisch gymnasium zu Herborn, dem billich nach allen möglichen dingen aller abbruch zu thun.“
Wie so viele in Gießen, kamen die ersten Professoren als Migranten in die Stadt. Als religiös andersdenkende fanden sie Zuflucht.
(Nach Eva-Marie Felschow; Carsten Lind: Ein hochnutz, nötig und christlich Werck. Die Anfänge der Universität Gießen vor 400 Jahren. Gießen 2007, S. 5)


Fecht-, Tanz- und Reitlehrer für zukünftige Staatsdiener

Die Studenten, die künftigen Staatsdiener, orientierten sich gesellschaftlich an der regionalen Adelskultur. Sie grenzten sich von der Stadtbürgerschaft scharf ab. Denn bereits mit der Immatrikulation erlangten die Studierenden Zugang zu zahlreichen Privilegien. Das Recht zur Jagd in den Wäldern um Gießen gehörte dazu und sie durften innerhalb der Stadt einen Degen tragen, was sie rein äußerlich von den normalen Bürgern unterschied und an Adlige heranrückte.


Academicus Giessensis (Stadtarchiv Gießen).

Kaum weniger wichtig als Lesen und Lernen war für die jungen Herren die Möglichkeit, sich auf ihre künftige gesellschaftliche Stellung als Staatsdiener umfassend vorzubereiten. So konnten sie sich in einigen höfischen Fertigkeiten unterweisen zu lassen: im Fechten, Reiten und Tanzen. Neben Professoren gehörte daher eine Reihe weiterer Personen zur Universität, darunter die Fecht- und Reitlehrer, Tanz- und Sprachmeister.

Die Fechtmeister spielten eine wichtige Rolle, galt es doch die Studierenden für die Anforderungen einer kriegerischen und rauflustigen Zeit vorzubereiten. Private Auseinandersetzungen wurden oft auf der Straße mit der Waffe in der Hand ausgetragen und in Gießen sahen Studenten sich auch in kriegerische Ereignisse mit einbezogen. Die von der Universität angestellten Fechtmeister, oftmals Franzosen, unterrichteten die Studenten daher im Fechten und im Schwingen von Fahnen und Piken.

          

Parati / Studentenhändel im 19. Jahrhundert (Stadtarchiv Gießen).

Dies waren auch Angebote, durch die sich die Attraktivität der Universität für Personen von Stand steigern lies. Vermutlich deshalb scheute die Universität nicht die Kosten für die Anschaffung von Reitpferden und das Gehalt eines Reitlehrers. Ebenso wie sie durch die Errichtung eines „Ballhauses“ das Ballspielen, eine Art Tennis, ermöglichte.
Das Spektrum der gesellschaftlichen Bildungsangebote vervollständigten die Tanzlehrer – oftmals Franzosen -, die den Studenten die gängigen Tanzformen beibrachten und sie in den feinen Sitten übten, genauso wie die Sprachmeister, ebenfalls in der Regel Ausländer, die insbesondere Französisch und andere lebende Sprachen vermittelten.


Geschichten: Gymnasium Illustre

Bereits am 10. Oktober 1605 - nur wenige Monate nach der Entlassung der Marburger Professoren - wurden ein Gymnasium Illustre in Gießen eröffnet. Man hatte bereits an der Gründung von zwei Bildungseinrichtungen die Absicht des Landgrafen ablesen können, das Gymnasium Illustre zu einem Vorläufer auf dem Weg zu der Universität zu machen. So bildeten Universität und Gymnasium seit ihrer Gründung eine untrennbare Einheit- Lehrer und Schüler unterstanden der akademischen Gerichtsbarkeit. Das Gießener Gymnasium war in der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt einzigartig.


Gymnasialgebäude Südanlage (Stadtarchiv Gießen).


Gymnasium am Brandplatz (Stadtarchiv Gießen).

Dies änderte sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts, als im Zuge der Weiterentwicklung des Schulwesens, Gymnasium und Universität getrennt wurden. Seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhundert kamen in Gießen neue Schulformen hinzu. Da diese seit den achtziger Jahren ebenfalls zur Hochschulreife führten, war nun auch Konkurrenz vor Ort gegeben. Es entstand ein breit gefächertes Schul- und Bildungsspektrum. Neben staatlichen und städtischen Schulen boten auch private Ausbildungsstätten ihre Möglichkeiten an.


Roben und Talare

Der Sinn für Repräsentation und glanzvolles Auftreten war der Universität und ihren Professoren von Beginn an eigentümlich. Zum Ausdruck kam die herausgehobene Stellung der Universitätsangehörigen, die sie von den anderen Ständen in der Stadt unterschied. So hatte die Universität einen eigenen Gerichtsstand, in den nur der Landesherr eingreifen konnte.
„Also soll der rector macht haben, diejenigen, so under ihme und der universitet angehörigk seindt, wenn sie den statutis und legibus zuewidder handeln oder leben, nach eines yeden verwürckunge zu strafen, zu welchem behuef wir denn unserer universitet ein carcerem verstattet haben, und thun und weiter nichts als was bekanntlich criminal ist, vorbehalten.“ (Becker, Die Gießener Hochschule bis zu ihrer Suspendierung 1624, S. 98)

Selten wurden Gelegenheiten versäumt, die Pracht, Würde und Stellung der Universität Außenstehenden vor Augen zu führen. Leichenbegängnisse, Hochzeiten und andere Familienereignisse zeigten, wo in der gesellschaftlichen Rangordnung sich die jeweiligen Teilnehmer einzuordnen hatten.

                        
Feierliche Prozessionen fanden auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Hier anlässlich des Universitätsjubiläums 1957. (Rösch).


Theologische Scharfmacher (Feuerborn und Haberkorn)

„Der Feuerborn und Haberkorn, die haben die ganze Welt verworr´n“.
Schon für die Marburger Universität hatte der Landgraf die Professorenschaft zur Friedfertigkeit ermahnt. Dies galt gleichermaßen für Gießen. „Die Professoren sollen untereinander einig sein, keiner dem anderen heimlich oder öffentlich Verdruß erwecken“. (Buchner 237, Visitationsabschied Marburg 1575)
Dies half jedoch nichts, denn gerade die Professoren der jungen Gießener Universität zeichneten sich durch ihre Streitlust aus. Insbesondere war dies in der Theologischen Fakultät erkennbar, die, neben ihrer Polemik nach außen, „fast fortwährend durch innere Gegensätze entzweit“ war. Vielfach entzündeten sich die Streitigkeiten an großen religiös-dogmatischen Fragen, doch kamen oft genug persönliche und familiäre Dinge zum Austrag, die uns heute kleinlich scheinen.


Haberkorn und Feuerborn. Epitaph in der Kapelle des Alten Friedhofs (transit giessen).

Die heftigen inneren Streitereien der Universität – da soll es auch zum Austeilen von „Maulschellen“ gekommen sein - veranlassten den Landgrafen schließlich die gesamte theologische Fakultät nach Darmstadt zum Verhör zu bestellen. Um diesen Missständen zu steuern, verordnete er schließlich am 28. Juni 1617: „Nachdem wir auch in dem werck befunden, das bey unserer hohen schule zu dessen etzliche zeithero viel ohnordtnung und zweyungen sich ereuget, auch sowehlen über der professoren saumbnuß und ubersehen alß der studirenden jugent ohnfleiß und excessen etzliche zeithero unß allerhandt klagen Vorkommen, so haben wir die notturft zu sein ermessen, durch mittel einer jährlichen, visitation denen eingerissenert mangeln zu remediiren und den künftigen zujegen zu bawen.“


Vergessen, verkannt, verwechselt - Der Dieffenbach

In seiner Heimatstadt Gießen ist Ernst Dieffenbach weithin unbekannt gewesen. In Neuseeland dagegen, auf der anderen Seite des Globus, wird er in Ehren gehalten. Wie kam es dazu?
1811 in Gießen als Sohn eines Theologieprofessors geboren, begann er hier sein Studium und geriet, wie viele Zeitgenossen, in die Verfolgungsmaschinerie des Vormärz. Es folgte Flucht nach Frankreich, dann in die Schweiz. Dort konnte er in Zürich sein Studium der Medizin abschließen. Von da ging sein Weg über Frankreich nach London. Mit Gelegenheitsjobs und Übersetzungsarbeiten hielt er sich über Wasser, letztere machten seinen Namen bekannt und er erhielt 1839 eine Anstellung als Mediziner und Naturforscher im Rahmen einer Neuseelandexpedition. Dieffenbach unternahm dort ausgedehnte Reisen durch das Land, beobachtete und verzeichnete „alles, was ihm interessant erschien: geologische Formationen, mineralogische und meteorologische Daten, Flora und Fauna, aber auch Sitten und Gebräuche der von ihm mit viel Sympathie beobachteten und beschriebenen Maori“.
Ernst Dieffenbach stellt ein typisches Beispiel eines deutschen Migranten dar, der seine Kenntnisse in den Dienst einer Kolonialmacht stellte. Dieffenbach zog es zurück nach Deutschland und insbesondere nach Gießen. Doch für einen im Großherzogtum Hessen steckbrieflich gesuchten politischen Flüchtling war dies nicht einfach. Erst 1848, im Zuge der Revolution, erhielt er die Aufenthaltserlaubnis für Hessen und schließlich 1850 eine außerordentliche Professur in Gießen. 1855 erkrankte er und starb kurz danach an Typhus, weitgehend unbeachtet in seiner Vaterstadt.

Registriert haben seinen Tod jedoch die Maori in Neuseeland. Sie verfassten eine Ode zu seinem Gedenken. Dabei geschah jedoch eine Verwechslung, denn sie nahmen den Tod seines Bruders, Johann Georg Dieffenbach, der 1848 in Berlin verstarb, als Anlass. Auch die oft auf Ernst Dieffenbach zurückgeführte Pflanze, die Dieffenbachia, geht nicht auf ihn, sondern auf einen Obergärtner gleichen Namens in den Botanischen Gärten Wiens zurück. Zu Ehren Ernst Dieffenbachs wurde lediglich eine flugunfähige Ralle auf den Chatham-Inseln benannt. Seit 1872 ist sie ausgestorben.
(Nach: Dirk van Laak: Im Schatten von Riesen: Johann Karl Ernst Dieffenbach. (1811-1855). In: Stefan Gerber/Werner Greiling/Tobias Kaiser/Klaus Ries (Hg.): Zwischen Stadt, Staat und Nation. Bürgertum in Deutschland. Göttingen 2014, Teil 1, S. 225-238.).

 
Dieffenbach-Ralle (Gallirallus dieffenbachii)

Catalogue of the birds in the British Museum. Volume 23
John G. Keulemanns (Wikipedia).

Im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt findet sich mit der Beschriftung »Dieffenbach, Ernst, Prof. Dr. med. (1811-1855) / Porträt mit Stock, im Hintergrund Gegend um Gießen, Halbfigur« ein vermutlich aus den frühen 1850er Jahren stammendes Gemälde des etablierten, mit Jagdhund und Wanderutensilien in die Natur strebenden Dieffenbach vor den Burgen Vetzberg und Gleiberg.

                                                                              

 

 

 

 

 

Porträt Prof. Dr. med. Ernst Dieffenbach, 
Hessisches Staatsarchiv Darmstadt,                                                                     
Sign. R 4  Nr. 15560 (Original in Privatbesitz).