DER
BRANDBERG IN DER WÜSTE
NAMIB
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- [Fortsetzung]
Ungefähr zu Beginn unserer Zeitrechnung fingen die Brandbergbewohner
an, getöpferte Gefäße zu verwenden. Solche Gefäße sind schwerer zu transportieren;
sie haben Gewicht, sind leicht zerbrechlich und nicht so leicht wiederzubeschaffen
wie Gefäße aus pflanzlichem oder tierischem Material. Wenn es sich noch
um dieselbe Bewohnergesellschaft handelt, könnte sie etwas weniger mobil
geworden sein - das lassen die ausgegrabenen Tongefäße zumindestens
vermuten.
Ab dem Beginn des 2. Jahrtausends unserer Zeit ist durch Analysen von
Tierkot und Interpretation von Felsbildern die Haltung von Tieren belegt.
Die Brandbergbewohner hielten im Bergmassiv und darum herum überwiegend
Schafe, aber auch Ziegen, mit denen sie ihre Sammel- und Jagdkost ergänzten.
Sie logierten weiterhin in den Grotten und unter den Felsüberhängen,
die schon zuvor den Wildbeutern als Behausung gedient hatten. Wiederum
hinterließen sie Felsbilder an den Wänden; dieser Kleinvieh haltenden
Bewohnerschaft werden die polychromen Malereien zugeschrieben.
Vor ca. 500 Jahren änderte sich die Kultur der Bergbewohner in sehr
kurzer Zeit: Sie begannen im und um den Berg herum Behausungen aus Steinfundamenten
sowie Holz und Gras zu errichten. Auch diese Bewohner hielten Kleinvieh,
das sie je nach dem Vorhandensein von Wasser und Gras auch in das Massiv
hineinführten.
Vor ca. 150 Jahren kam - wie fast ausnahmslos überall im südlichen Afrika
- auch am Brandberg die Felsmalerei zum Ende. Welche Rolle für das Erlöschen
der Kunst Bevölkerungsverschiebungen in der Folge des Kolonialismus
und in Folge von Konsolidierungs- und Wanderungsprozessen der südafrikanischen
Ethnien spielen, bleibt bislang eine Frage. Sicher ist allein, daß die
Kunst erinnerungslos verschwunden ist. Die mutmaßlichen Nachkommen der
Maler, die San und die Damara, sehen sich in keinerlei Verbindung zu
den Felsbildern.
Es liegt eine umfangreiche Sammlung von Geschichten vor, die Buschleute
um die Jahrhundertwende zu Felsbildern in südlicheren Gebieten zu erzählen
wußten. Vollständig ist jedoch in Vergessenheit geraten, zu welchen
Anlässen, in welchen Handlungsabfolgen und von wem die Bilder geschaffen
wurden. So geben die von der Bleek-Familie aufgezeichneten Erzählungen
zwar einen Fingerzeig auf die Vielfalt der Ideenwelten der Buschleute,
in den Geschichten ist davon aber nur ein winziger Teil überliefert.
Der größte Teil der Felsbilder überall im südlichen Afrika ist als materieller
Überrest von Handlungen und Geschichten anzusehen, deren erzählter Teil
unwiederbringlich verloren gegangen ist.
Die heutigen Bewohner des Brandbergs sind Edelsteinschürfer, die am
Fuße des Berges Edelsteine suchen und ausgraben. Sie errichten provisorische
Camps zum Schlafen und Kochen. Oben im Bergmassiv halten sich immer
wieder Felsbildforscher und vereinzelt Touristen auf. Den Nachkommen
der letzten Felsbildmaler, den in der weiteren Region ansässigen Damara,
ist es nicht gestattet, ihr Vieh im Naturschutzgebiet Brandberg zu weiden.
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